Randbemerkungen zum Thema Wein

Was soll ich Ihnen über Wein erzählen? Vermutlich brauche ich Ihnen nicht zu sagen, woraus Wein besteht: gut 80  %  Wasser, zu 10-15% aus Alkohol und der Rest sind Aromen, Farbstoffe, Säure und Zucker. Glykol heute nur noch selten.  Auch dass die meisten Winzer ihn aus Trauben machen, dürfte Sie nicht überraschen. Allerdings haben amerikanische Winzer längst die Technik entwickelt, Wein in seine Bestandteile zu zerlegen. Nach den Wünschen einer Markenführung werden diese dann wieder zu einem Industrieprodukt zusammengesetzt, das immer gleich schmeckt.     

Wein und Gesundheit

Bekannt dürfte Ihnen sein, dass Wein gesund ist. Das liegt vor allem an den Polyphenolen. Sie sollen die Gefäße vor Defekten schützen. Zwei schlechte Nachrichten gibt es da nun allerdings.

  • Die erste schlechte Nachricht: Die gesundheitliche Wirkung wird neuerdings als wissenschaftlich nicht belegbar abgetan. Möglicherweise hat die Bier-Lobby diese Studie finanziert.
  • Die zweite schlechte Nachricht: Um die Wirkung zu erzeugen, würde die Menge eines Fingerhuts pro Tag genügen.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich in der Weinwirtschaft eine Reihe von durchaus schwerwiegenden Dingen ereignet, wenn auch nicht über Nacht. 

Die Globalisierung der Weinwirtschaft

In einer Zeit, in der es weit weniger als 50 Cent kostet, eine Flasche Wein um halbe Welt zu fliegen, können wir Wein aus praktisch jeder Ecke der Welt überall kaufen. Sauvignon Blanc aus Neuseeland ist gut und günstig. In Europa ist diese Rebsorte immer mehr „in“, deshalb steigen Winzer hier ein. Riesling ist nach Meinung mancher Weingurus hingegen out. Nicht einfach für Deutschland, das führende Riesling-Land der Welt. Nun – es gibt genügend Winzer, die mit dem Erfolg ihrer Rieslinge zufrieden sind. Nicht nur in Franken. An der Mosel gibt es einen Winzer mit dem seltenen Namen Müller, der Rieslinge für 40 – 80 € verkauft.  Die Auslesen kosten bis zu 300 €.

 

Gewisse Sorgen bereitet China der Weinwirtschaft. Die Chinesen haben gelernt, dass Wein auch schmeckt, wenn man ihn nicht mit Coca Cola mischt. China legt heute Weinberge an mit Flächen, die in wenigen Jahrzehnten vielleicht dazu führen werden, dass Spanien nicht mehr die größte Rebfläche der Welt hat (1,1 Mio. ha). Was passiert aber bis dahin? Werden uns die Chinesen den ganzen Wein wegtrinken? Weingüter in großer Zahl aufkaufen? Wird die EU dagegen halten den Weinbau in Europa liberalisieren? Es ist wohl besser, sich das alles nicht in Detail auszumalen.  

 

Die Sache mit dem Holz

Es gab Modeerscheinungen mit übertrieben viel Eiche – zur Not durch Zusatz von Holzspänen im Stahltank. Manches hat sich wieder nivelliert, experimentiert wird mit Holz aber nach wie vor. Kürzlich habe ich einen fränkischen Weißwein mit respektablem Alkoholgehalt und kräftigen Holzaromen getrunken. Das künstlerisch gestaltete Etikett verriet zunächst keine Rebsorte, und dieses war auch weder mit der Nase noch mit der Zunge zu erraten. Ich tippte auf Weißburgunder oder Grauburgunder – und lag daneben.  Es war eine im Barrique-Fass ausgebaute Silvaner Spätlese, die vor allem den Damen am Tisch sehr gut schmeckte.  Vom typisch fränkischen Silvaner-Charakter war allerdings so gut wie mehr nichts mehr übrig.

In Südtirol kenne ich einen Winzer, der Weißburgunder in großen Fässern aus Akazienholz ausbaut. Die Fässer werden am Ort vom letzten noch lebenden Fassbinder aus einheimischer Akazie gefertigt, die auf kargen Böden ziemlich langsam wächst. Dadurch ist das Holz sehr dicht und feinporig. Die Akazien werden – und das ist ganz wichtig – im Spätherbst bei abnehmendem Mond geschlagen. Das ist kein Aberglaube, sondern tatsächlich Biologie. Der im Herbst ohnehin nur noch spärlich vorhandene Saft zieht sich bei abnehmendem Mond aus dem Holz zurück, was das Holz noch haltbarer macht. Der Weißburgunder aus dem großen Akazienfass hat eine feinherbe Note, die man natürlich auch wieder mögen muss.

Beim Weißwein ist es Geschmacksache, ob man die Holzaromatik mag. Bei den Rotweinen der gehobenen Qualitätsstufen ist der Ausbau im Barrique-Fass der Normalfall. So ein Barrique-Fass hat immer 225 Liter und kostet bis zu 1.000 €. Es hält nur ein paar Jahre.  Bevorzugt wird französische Eiche, amerikanische tut es auch und ist etwas billiger.

 

Das Ende von Frankreich als Leitbild

Das Keltern von Wein ist viele Tausend Jahre alt. Doch in Frankreich wurde Wein als Luxusgut erfunden und zu einer Kunstform entwickelt, wie es der „Weinpapst“ Hugh Johnson ausdrückt. (übrigens: Die Worte Papst und Wein dürfen in Franken eigentlich nur gemeinsam in den Mund genommen werden, wenn vom Weingut Wirsching die Rede ist). Stichwort Papst-Wein.

Frankreichs Rebsorten wurden in den vergangenen Jahrhunderten in neue Gebiete verpflanzt. Doch die Leitbild-Funktion Frankreichs gehört der Vergangenheit an. Die Rotweine Nord- oder Südamerikas müssen sich nicht mehr am Médoc messen, die Côte d’Or ist nicht mehr der einzige Maßstab für Chardonnay und ein exzellenter Pinot Noir muss nicht aus Burgund kommen. Hugh Johnson formuliert den Einstellungswandel sehr drastisch: „Es erscheint anmaßend oder einfach nur dumm, auf dem Original zu bestehen“.  Gerade beim Pinot Noir, den wir ja Spätburgunder nennen, bin ich immer wieder beindruckt, welche hervorragenden Weine manche deutschen Winzer zustande bringen. Allerdings nur eine kleine Minderheit.

Frankreich beeindruckt heute immer noch mit dem teuersten Wein: für eine Flasche  ‚Petrus“ können Sie so zwischen 1.000 und 3.000 € ausgeben.

 

Die bisweilen verwirrenden Bezeichnungssysteme

 Frankreich hat vor rund 90 Jahren mit den ‚Appellations controlées‘ als erstes Land ein Bezeichnungssystem für Weine eingeführt, das Ortsnamen, Rebsorte und andere Merkmale gesetzlich schützte.  Spanien, Portugal und Italien sind von den DO bzw. DOC oder DOCG Gebieten gekennzeichnet (Denominación de Origin in Spanien).  In Italien herrscht ein ziemlich großes Durcheinander, denn das darf man Vieles auf die Etiketten schreiben – oder auch wenig. Nur eines darf man nicht abbilden: den Papst! Mussolini übrigens auch nicht.  

Österreich, das nach dem Glykol-Skandal eines der strengsten Weingesetze der Welt eingeführt hat, wollte auch so etwas haben. Aber die deutsche Sprache gibt so eine DO-Abkürzung eben nicht her.  Da kam man auf die Idee, auf die lateinische Sprache zurück zu greifen. DAC heißt in Österreich „Denominatio Austriacus Controlata“. Das wird aber nur für Grünen Veltliner verwendet, die in Österreich am häufigsten angebaute weiße Rebsorte.

Im deutschen Weingesetz gibt es nach wie vor die „Großlage“. Die Definition von Johnson: „Gruppen gesichtsloser Weinberge, die nur aus Bequemlichkeit zusammen genommen werden und billige Weine hervorbringen.“ (2014, S.200) Daneben hat der VDP, der altehrwürdige Verband Deutscher Qualitäts- und Prädikatsweingüter, für seine Mitglieder die Bezeichnung „Große Lage“ eingeführt. Das ist eine Bezeichnung für herausragende Qualität, so etwas Ähnliches wie Grand Cru in Frankreich.  Zum VDP gehören in Deutschland allerdings nur rund 200 Weingüter, in Franken 30. Bedenken Sie bitte, dass allein Rheinhessen 1.200 Winzer hat, das Anbaugebiet Mosel noch weit mehr.

Hugh Johnson: „Die Großlage nach dem deutschen Weingesetz ist also das genaue Gegenteil der ‚Großen Lage‘ des VDP. Man fragt sich schon, ob die das mit Absicht machen.“

 

Die belastende Informationsfülle

In Deutschland haben wir uns daran gewöhnt, die Weine ohne Ansehen der Lage in Tischweine, Qualitätsweine (QbA) und Prädikatsweine einzuteilen. Wenn dann auch noch der Name des Weinguts, die Rebsorte, der Jahrgang und die Lage auf dem Etikett steht, führt das zu einer Informationsfülle, die viele Verbraucher einfach überfordert. 

 

 Auch Johnson beklagt die Informationsfülle, die zur Gefahr einer Überlastung führt.  Diese überbordende Informationsfülle führt zu einem Gefühl wie Ertrinken. Es ist ein Wald von Fakten, der uns das Gefühl gibt, wir hätten damals Chemie nicht schwänzen dürfen. Ich zitiere erneut: „Für Statistiker, Infojunkies und Sommeliers ist ein gefundenes Fressen. Aber für uns einfache Leute, die einfach nur Wein mögen und auf Vergnügen aus sind, ist dieser technische Kram eine Barriere.“  Die Engländer sind einfach Meister des Understatement.

„Es sind Geschichten, die uns zu neuen Orten ziehen. Geschichten bleiben haften, Restsüße nicht – zumindest nicht im selben Sinn. In einigen Teilen der Weinwelt… muss man das noch lernen, um sich nicht im Wein-Cyberspace zu verlieren.

Es ist mehr das menschliche Miteinander, das zu den meisten Kaufentscheidungen und um Genuss am Wein führt. Womit wir beim Tourismus wären…

Es liegt im Wesen des Tourismus, dass er das, was ihn anzieht, auch gleich wieder zerstört: unverbaute Landschaft, Ruhe und Beschaulichkeit, freundliche Menschen, günstige Preise, wenig Verkehr. Sobald der Tourismus da ist, zerstört er seine Grundlagen. Seine Widerlegung kommt ihm also immer zuvor. Hans Magnus Enzensberger hat dafür das Gleichnis von Hasen und dem Igel bemüht.

Das Besondere an Weinreisen ist, dass es den Weintourismus als eigenständige Erscheinung eigentlich gar nicht gibt. Er mischt sich lautlos unter die anderen Erscheinungsformen des Tourismus wie Wander- oder Radtourismus, Studienreisen, Kreuzfahrten oder andere Arten des Tourismus. So gesehen, stören Weinreisen eigentlich nie. Sie erfreuen meist alle Beteiligten.